Veranstaltungsbericht: Europas Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP): Entwicklungen am Beispiel EU NAVFOR Somalia

„Es wird Jahrzehnte dauern“ und „Militär löst niemals Probleme“ - diese beiden prägnanten Faustformeln beschreiben die Kernbotschaft unseres Online-Seminars vom 10.08.2021. Fregattenkapitän Daniel Wolfen referierte über die GSVP und ging dabei konkret auf die EU-Mission EU NAVFOR Somalia ein, in der er als Abteilungsleiter Planung in der Phase der Neuausrichtung mitarbeitete.

In einem etwa 25-minütigen Impulsvortrag informierte Herr Wolfen uns zuerst über die gesetzlichen Hintergründe der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die Grundlage für diese bildet der Vertrag von Maastricht 1994 und der Vertrag von Lissabon 2007. Wegen des Prinzips der Einstimmigkeit seien in der EU aber immer nur „Baby steps“ möglich.  Die Initiative PESCO definiert Schritte hin zu einer engeren Verzahnung seit 2017.

 

Nach diesem Überblick ging Wolfen auf die Organe der GSVP wie den Generalstab, die Botschafter und den militärischen Oberbefehl, den EU-Militärstab ein. Der Dienstort von Fregattenkapitän Wolfen war das Operative Hauptquartier im spanischen Rota, welches dem Militärstab untersteht. Nach einem kurzen Überblick über alle aktuell von der EU durchgeführten Operationen kam Herr Wolfen auf den Hauptteil des Vortrages zu sprechen: Die Mission EU NAVFOR Somalia, Operation ATALANTA.

 

Diese Mission wird seit 2008 von der Europäischen Union durchgeführt, um die von Somalia ausgehende Piraterie zu bekämpfen und die Schiffe des World Food Programs zu beschützen. Da Somalia seit Jahrzehnten ein sogenannter „failed state“ ist und das Rote Meer einer der Hauptverkehrwege auf See ist, blühte dort die Piraterie auf. Durch den Einsatz von Schiffen und Luftfahrzeugen konnte die Piraterie praktisch zum Erliegen gebracht werden. In diesem Zusammenhang wies der Dozent auf das idealisierte Bild des Piraten in Deutschland hin und wie wenig dies mit den Realitäten vor Ort zu tun habe.

 

Seit 2017 gibt es fast keine Piraterie mehr, doch die ehemaligen Piraten und weitere Personen sind jetzt aktiv im Drogen- und Waffenschmuggel, im sehr lukrativen Holzkohleschmuggel, bieten einen Nährboden für radikalen Islamismus und führen somit auch zu Migration der somalischen Bevölkerung. Mit der Formel „Militär löst niemals Probleme“ kam dann Fregattenkapitän Wolfen auf die notwendigen zivilen Initiativen vor Ort zu sprechen. Dies sind die Missionen EUCAP und EUTM.

 

Um auf die geänderten Aufgaben vor Ort zu reagieren wurde das Mandat am 18.12. angepasst und eine großangelegte Zusammenarbeit mit militärischen und zivilen Organisationen wie INTERPOL und NGOs umgesetzt. Jetzt sei es das Ziel, den Menschen legale Einkommensquellen zu ermöglichen und einen modernen Staat aufzubauen. Aufgrund der Mentalität vor Ort werde dies jedoch Jahrzehnte bzw. mehrere Generationen dauern.

 

Nach dem Input Vortrag begann eine angeregte und hochspannende Fragerunde zu Themen wie der Rolle der Volksrepublik China, der Bedeutung des „key leader engagement“ oder der Notwendigkeit großer seegehender Einheiten wie Fregatten in dem Seegebiet. 

 

Wir bedanken uns für das spannende Online-Seminar bei Fregattenkapitän Daniel Wolfen, sowie allen Teilnehmenden für die vielen interessanten Fragen und freuen uns, wenn wir Herrn Wolfen zukünftig wieder als Referenten in unserer Gruppe begrüßen dürfen.